#13 Warum ich laufe - oder - die Parallelen zwischen Läufern und Unternehmern
2019 hatte ich meinen „Höhepunkt“ im negativen Sinn, was mein Körpergewicht angeht. Die damals fünf Jahre Selbständigkeit, der Stress und der damit verbundene Zeitmangel haben dazu geführt, dass ich weder Sport gemacht noch sonderlich darauf geachtet habe, dass ich über die Dauer einfach zu viel gegessen habe. Mein Bruder Knut, schon immer schlank, hat mich dann dazu gebracht, mich beim Programm „Lauf geht’s – in sechs Monaten zum Halbmarathon“ anzumelden. Ein Läufer war ich nie; ehrgeizig dagegen schon immer. Und begeisterungsfähig! So braucht man meistens nicht viel Zeit, mich von etwas zu überreden. Ich wollte es versuchen!
Zu Beginn war an „Laufen“ nicht zu denken. Wir starteten in meiner Gruppe mit Walking. Das erste Mal Laufen nach ein paar Wochen war dann ganze 90 Sekunden am Stück. Immer im Wechsel zwischen Laufen und Gehen. An eine längere Zeit am Stück Laufen war auch da noch nicht zu denken. Doch mit der Zeit, für mich auf erstaunliche Weise, wurde ich langsam fitter. Mein Aha-Erlebnis werde ich nie vergessen: Ich hatte einfach keine Lust mehr immer zwischendurch zu gehen und so lief ich nach ein paar Wochen Training das erste Mal 15 Minuten am Stück. Von Enslingen nach Untermünkheim! Ein unbeschreibliches Gefühl; ich dachte, ich kann die Welt einreisen.
Und tatsächlich schaffte ich es trotz einiger Rückschläge und einer kleineren Verletzung innerhalb von sechs Monaten zum Halbmarathon, den ich in Ulm gelaufen bin. Mit eineinhalb Jahren Unterbrechung (die Pandemie hat bei mir dafür gesorgt, dass ich das Laufen wieder aufgesteckt habe), laufe ich seit 2022 wieder und inzwischen mehr und lieber als je zuvor. Zwei Marathons habe ich 2023 absolviert (mit jeweils mehr wie suboptimaler Vorbereitung) und gerade befinde ich mich mitten in der Vorbereitung für den Hamburg-Marathon Ende April.
Vergangenen Sonntag hatte ich im Rahmen des Trainings wieder einen langen Lauf zu absolvieren. 1 Stunde und 55 Minuten Laufen. Endlich habe ich es auch mal wieder geschafft, mich morgens aus dem Bett zu quälen und wurde dafür belohnt. Trotz Regen genoss ich jede Sekunde dieses Laufs. Die Stille am Sonntagmorgen (selbst auf unserer viel befahrenen Bundesstraße keine Auto) hat für mich etwas Heiliges. Und so passierte es mir (nach längerer Zeit mal wieder), dass ich mich in einen richtigen „Flow“ gelaufen habe. Als Unternehmer und Familienvater prasseln jeden Tag viele Dinge auf mich ein, sodass ich manches Mal an dem Punkt bin, an dem ich das Gefühl habe, alle Gedanken kreisen Achterbahn und ich schaffe es nicht mehr, dieses Gewirr in meinem Kopf zu sortieren. Doch dann: Nach einigen Kilometern auf der Uhr fangen die Gedanken plötzlich an, sich zu sortieren. Themen, die nochmal neu durchdacht werden müssen, kommen an die Oberfläche; andere, ganz laute Themen, werden plötzlich leiser. Und plötzlich war da dieser Blitzgedanke: Laufen ist wie Meditieren – für Leute, die nicht still sitzen können.
Laufen ist wie Meditieren – für Leute, die nicht still sitzen können.
Und seit dieser Erkenntnis schaffe ich es auch besser, mir zu erlauben, während des Tages meine Laufschuhe zu schnüren und ein paar Kilometer zu laufen. Auch wenn die Arbeit vielleicht noch nicht komplett erledigt ist. Denn danach geht es wieder mit klarem Kopf und neuem Elan weiter. So lässt sich bei mir das Berufs- und Privatleben nicht wirklich trennen. Denn wenn es mir wieder besser geht und ich klarer bin, profitieren am Ende auch Betrieb und Umfeld davon. Eine Maschine wird auch regelmäßig gewartet und überprüft. Warum sollte das bei uns Menschen anders sein? Die Arbeit wartet auf mich und sie liegt sogar morgen noch da, wenn ich sie heute nicht erledige. Ich habe mehr und mehr gelernt das zu akzeptieren.
Zum Leben eines Unternehmers (und wahrscheinlich auch zum Leben von Nicht-Unternehmer/innen) gibt es in der Marathonvorbereitung erstaunlich viele Parallelen:
- Der Weg ist das Ziel: Wichtiger als das Erreichen der Ziellinie ist das Erreichen der Startlinie, d.h.: Schaffe ich es mir genügend Zeit für die Vorbereitung zu nehmen? Wenn ja, sind die 42 km eine logische Folge daraus. Auf das Unternehmerleben bezogen: Das, was man von außen sieht bedeutet, dass ein Vielfaches davon an Energie notwendig war, um diese Ergebnisse zu erzielen, die aber evtl. niemand gesehen hat.
- Finde Dein Tempo: Läufst Du zu schnell bist Du zu schnell erschöpft, evtl. wird das Ziel gar nicht erreicht. Und akzeptiere, dass dieses Tempo relativ individuell ist; nicht besser oder schlechter; nur anders.
- Verpflege Dich: Mit entscheidend für einen Marathonerfolg ist die Verpflegung. Man muss dem Körper geben, was er braucht, um diese außergewöhnliche Belastung zu überstehen. Genau wie im echten Leben…
- Mach Pausen: Vor allem in der Vorbereitung, aber auch während des Laufs (wenn man kein Vollprofi ist) sind Pausen wichtig. Sie helfen uns Kraft zu sammeln für die nächsten km oder die nächsten Intervalle. Und ich habe auch gelernt: Wenn Du Pause machst, mach richtig Pause und meine nicht, während der Pause auch noch „irgendwas nebenher“ erledigen zu müssen. Interessant war für mich hierbei eine Erfahrung: Ich habe einen langen Lauf einmal mit Gehpausen und einmal ohne Gehpausen absolviert. Bei dem Lauf mit Gehpausen war ich am Ende unterm Strich sogar schneller, weil ich zwischendurch immer wieder Energie sammeln konnte.
- Sei nicht zu perfektionistisch: Man muss damit leben: Keine Marathonvorbereitung verläuft total glatt und ohne kleine Dämpfer. Es kommt immer mal etwas dazwischen: Keine Zeit, Krankheit, kleinere Verletzungen. Hadere nicht damit, sondern mach einfach weiter.
Bestimmt gibt es noch mehr Parallelen, die mir beim nächsten Lauf einfallen, wenn ich wieder in einen Flow komme.
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